Fotoquelle Titelbild: © Fotolia 2016/Coloures-pic
Sind auch Sie ein getriebener Mensch? E-Mails, Smartphone, Telefongeklingel, WhatsApp und Facebook-Nachrichten, der Chef, die Kollegen, die Kunden: Alle wollen etwas, und Sie rotieren mittendrin wie der berüchtigte Hamster im Rad. Falls Sie nun nicken – Zeitmanagement ist gerade im Vertrieb ein brisantes Thema. Viele Mitarbeiter fühlen sich zunehmend fremdbestimmt und gestresst. Falls auch Ihr Tag regelmäßig zu wenig Stunden hat, sollten Sie sich Gedanken darüber machen, wie Sie das Phänomen der Zeitdiebe in den Griff bekommen. Denn diese stehlen Ihnen neben wertvoller Zeit auch Ihre Erfolge und Ihre Lebensqualität.
Gefangen im Hamsterrad des Vertriebs
Um es frei nach Eugen Roth zu formulieren: Viele Vertriebsmitarbeiter glauben in ihrer Arbeit aufzugehen, während sie längst in ihr untergehen. Sie sollten sich daher von Zeit zu Zeit fragen: Ist Ihr Schreibtisch aufgeräumt, wenn Sie abends nach Hause fahren? Ist Ihr E-Mail-Eingangspostfach leer, oder türmen sich darin die ungelesenen Nachrichten? Halten Sie Ihre Kundentermine pünktlichst ein, oder verspäten Sie sich immer häufiger? Sollte Sie bei diesen Fragen ein schlechtes Gewissen plagen, dann haben Sie sehr wahrscheinlich ein Zeitproblem.
Zeitmanagement bedeutet Selbstmanagement
Wie kommt es nun zu diesem Zeitproblem? Wenn meine Workshop-Teilnehmer darüber klagen, dass sie andauernd mehr Zeit bräuchten, um ihre Ziele zu erreichen, dann stelle ich ihnen folgende Frage: Wieviel eurer Zeit arbeitet ihr aktiv, und wieviel werdet ihr gearbeitet? – Gearbeitet werden? Ja, das gibt es. Immer dann, wenn das Telefon klingelt und Sie von Ihrer eigentlichen Arbeit abhält, immer dann, wenn Ihr Kollege Sie um einen Gefallen bittet, werden Sie gearbeitet. Sie lassen andere über Ihre Zeit bestimmen.
Daher eine erste wesentliche Erkenntnis: Erfolgreiches Zeitmanagement im Vertrieb hat das Ziel, dass Sie selbst aktiv über ihre Zeit bestimmen, anstatt sich diese von anderen stehlen zu lassen. Dass die Zeitdiebe so erfolgreich sind, hat sehr viel mit Ihrer eigenen Persönlichkeit zu tun, genauer gesagt mit dem unbewussten Teil Ihrer Persönlichkeit. Jeder Mensch hat aufgrund seiner Persönlichkeitsstruktur typische Schwachpunkte, die ihn für Zeitdiebe angreifbar machen. Wenn wir diese kennen, können wir effektive Gegenstrategien entwickeln. Zeitmanagement bedeutet daher im Kern Selbstmanagement.
Zeitdiebe entlarven
Wer oder was stiehlt uns nun unsere Zeit? Der Chef, die Kunden, die Kollegen, das langsame IT-System? Mag sein. Viel wichtiger sind die Zeitdiebe, die in uns selbst begründet liegen. Dazu zählt beispielsweise das Bedürfnis nach Zuwendung und Kontakt. Wir unterhalten uns über das letzte Wochenende oder das kommende Fußballspiel, wir lästern über schwierige Kunden. Das ist verständlich – und es kostet wertvolle Arbeitszeit. Eine weitere wesentliche Ursache liegt darin, dass viele Menschen nur schwer Nein sagen können. Sicher kennen Sie es: Ihr Kollege bittet Sie um Unterstützung, aus Gefälligkeit helfen Sie ihm, auch wenn Sie selbst bis über beide Ohren in Ihren Projekten stecken.
Vielen Mitarbeitern fällt es zudem schwer, sich zu organisieren. Sie haben Probleme, wichtige von unwichtigen Aufgaben zu trennen und entsprechend zu handeln. So verzetteln sie sich regelmäßig und geraten in Zeitnot.
Zeitmanagement beginnt mit einer Bestandsaufnahme
Wie können Sie es nun besser machen? Der erste Schritt zu einem erfolgreichen Zeitmanagement im Vertrieb besteht darin, sich Ihren Umgang mit Zeit bewusst zu machen. Halten Sie daher schriftlich fest, wofür Sie Ihre tägliche Arbeitszeit nutzen – etwa mit diesem Aufnahmeblatt zur Tätigkeitsanalyse, das hier für Sie zum Download bereitsteht. So sehen Sie auf einen Blick, was Sie wann getan haben und mit welchem Ziel. Halten Sie vor allem auch fest, wann Sie in Ihren Tätigkeiten unterbrochen wurden. Psychologen haben herausgefunden, dass wir nach einer Störung rund 30 Prozent unserer Zeit benötigen, um uns neu in die unterbrochene Tätigkeit einzuarbeiten. Das ist eine unglaubliche Zeitverschwendung.
Die richtigen Prioritäten setzen
Arbeiten Sie ab sofort effizienter! Es gibt zahlreiche Instrumente, die Sie zu einem verbesserten Zeitmanagement im Vertrieb nutzen können. Zuallererst benötigen Sie dafür konkrete und messbare Ziele. Lautet ein übergeordnetes Ziel etwa Neukundengewinnung, dann sollten Sie klar umschreiben, wieviele Kunden Sie in welchem Zeitraum gewinnen wollen.
Um Ihre Kräfte nun auf dieses Ziel hin zu fokussieren, ist es entscheidend, die richtigen Prioritäten setzen. Ein einfaches und sehr wirkungsvolles Instrument zu einem verbesserten Zeitmanagement ist die ABC-Analyse oder Wertanalyse der Zeitverwendung. Sie kategorisieren dabei Ihre täglichen Aufgaben nach ihrer Wichtigkeit für Ihr definiertes Ziel. A-Aufgaben sind sehr wichtige und erfolgsentscheidende Aufgaben, B-Aufgaben sind mäßig wichtig, zu den C-Aufgaben zählt Ihr täglicher Kleinkram.
Den überwiegenden Teil Ihrer Zeit – etwa 65 Prozent – sollten Sie für A-Aufgaben nutzen. Stellen Sie sich daher eine tägliche Aufgabenliste und reihen Sie die A-Aufgaben bewusst an erste Stelle. Vermeiden Sie es, dass C-Aufgaben Ihren Arbeitsalltag dominieren. Ich habe die Erfahrung gemacht: Gerade jene Mitarbeiter, die sich ständig unter Zeitdruck fühlen, nutzen den Großteil ihrer Zeit für diese unwichtigen Aufgaben. Warum? A-Aufgaben können unangenehm sein. Wer stattdessen C-Aufgaben erledigt, beruhigt damit sein schlechtes Gewissen, die wirklich wichtigen Dinge aufzuschieben. Es gibt im Amerikanischen ein großartiges Sprichwort: „If you have to eat a frog, eat it first.“
Dringlich oder wichtig? Das Eisenhower-Prinzip
Eine weitere bedeutsame Zeitmanagement-Methode geht auf den amerikanischen Präsidenten D.D. Eisenhower zurück. Dieser kluge Mann hat zwischen zwei Begriffen unterschieden: Wichtigkeit und Dringlichkeit. Was bedeutet das?
Stellen Sie sich ein typisches Szenario im Vertrieb vor. Ein Kunde, mit dem Sie 50.000 Euro Umsatz machen, ruft Sie an und quasselt hektisch ins Telefon: „Ich brauche ein Angebot von Ihnen, Sie müssen mir das sofort schreiben, ich brauche es in 10 Minuten!“ Unmittelbar danach ruft Sie ein weiterer Kunde an, der für einen Umsatz von 3 Millionen Euro sorgt: „Wir brauchen bitte ein Angebot von Ihnen, unser Kunde hier will das auch relativ zügig haben. Es wäre nett, wenn Sie es mir rasch schicken könnten.“
Der erste Kunde ist der dringliche Kunde – er schreit, er macht Druck. Der zweite Kunde verzichtet darauf – und er ist zugleich äußerst wichtig. Er bekommt daher sein Angebot zuerst, egal wie sehr Ihnen der andere auf die Pelle rückt! Eine Grundregel für verbessertes Zeitmanagement im Vertrieb lautet daher: Wichtige Aufgaben kommen vor dringlichen Aufgaben.
Von Eulen und Lerchen
Im Vertrieb gibt es – wie überall im Unternehmen – Eulen und Lerchen. Die Lerchen sitzen morgens um 8 putzmunter im Büro uns geben so richtig Gas. Eulen dagegen kommen frühestens um 9, brauchen erstmal ihren Kaffee und sind erst danach einigermaßen ansprechbar. Richtig produktiv werden sie, wenn die Lerchen bereits nach Hause gehen.
Jeder Mensch hat seinen eigenen Biorhythmus. Nehmen Sie darauf Rücksicht, und reservieren Sie Ihr produktives Zeitfenster unbedingt für A-Aufgaben. Optimal ist es, wenn Sie dabei ungestört sind. Als Vertriebsleiter habe ich einmal die Regel eingeführt, dass von 8 bis 10 vormittags keine internen Anrufe getätigt werden dürfen – außer in wichtigen UND dringlichen Fällen. Was zunächst hart klang, war äußerst wirkungsvoll und hat das Zeitmanagement meiner Mitarbeiter erheblich verbessert.
Fazit: Steigen Sie aus dem Hamsterrad aus und übernehmen Sie Verantwortung
Zeitmanagement bedeutet also im Wesentlichen Selbstmanagement und kluge Organisation. Beginnen Sie schon heute mit einer Bestandsaufnahme Ihrer Zeitverwendung – nützliche Arbeitsblätter finden Sie hier zum Download. Sorgen Sie künftig dafür, dass Sie aktiv über Ihre Arbeitszeit bestimmen, und trennen Sie wichtige von weniger wichtigen Aufgaben. Es liegt auch an Ihnen, wieviel Macht Sie den typischen Zeitdieben im Vertrieb geben!