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„Verraten Sie uns doch mal die geheimen Verhandlungsstrategien von Verkäufern, Herr Albers!“

Wenn ich eines meiner seltenen Workshops für Einkäufer halte, dann ist dies eine Frage, die viele meiner Schulungsteilnehmer brennend interessiert: Mit welchen Tricks und Kniffen arbeiten eigentlich Verkäufer? Die Antwort ist verblüffend einfach: Es sind ein- und dieselben Taktiken, die auch erfolgreiche Einkäufer anwenden! Es gibt daher zwei gute Gründe, warum Sie sich als Verkäufer mit Verhandlungsstrategien auseinandersetzen sollten: erstens, um sie selbst erfolgreich anzuwenden, und zweitens, um auf Manöver Ihres Gegenübers souverän zu reagieren. In diesem Blogbeitrag erfahren Sie, wie Sie die typischen Kniffe und Verhandlungstricks von Einkäufern ins Leere laufen lassen.

Verhandlungsstrategien: Einkäufer sind Verkäufer im Schafspelz

Auch wenn sie unterschiedliche Interessen verfolgen, Einkäufer und Verkäufer gehen mit dem gleichen Ziel an den Start: Sie wollen als Sieger aus der Verhandlung hervorgehen. Die Anforderungen sind daher sehr ähnlich: Kommunikationsfähigkeit und Effektivität sind zwei Basiskompetenzen, die Sie beide mit aufs Spielfeld bringen sollten. Um dicke Bretter zu bohren, bedarf es darüber hinaus einiger Spezialwerkzeuge: Mit geschickt gewählten Verhandlungsstrategien versuchen beide Seiten, die Position des Gegners zu schwächen. Keine Panik, wenn Ihr Gegenüber mit einem gut gefüllten Werkzeugkoffer an den Start geht: Sobald Sie die Verhandlungsstrategien Ihres Gegners erkannt haben, können Sie souverän kontern.

1. Keine Angst vor dem „Good-Guy-Bad-Guy“-Bluff

Beginnen wir mit einer Strategie, die mittlerweile etwas seltener zum Einsatz kommt, da sie viele Einkäufer und Verkäufer bereits kennen: Die „Good-Guy-Bad-Guy“-Taktik ist ein ebenso simples wie wirkungsvolles Rollenspiel, durch das Sie verunsichert und zu voreiligen Zugeständnissen verführt werden sollen. Sicherlich kennen Sie das Drehbuch: Ihre Verhandlungspartner treten im Team mit klar verteilten Rollen auf. Während Mr. Bad Guy Negativ-Argumente aus dem Ärmel schüttelt und damit wohlplatzierte Schläge setzt, nimmt sich sein Kollege zurück, geht vielleicht sogar aus dem Raum. Kurz bevor Sie getroffen zu Boden sinken, übernimmt Mr. Good Guy das Wort und versucht Sie wieder aufzurichten: Er sehe das alles weniger schlimm als sein Kollege, man werde sich sicher auf einen Kompromiss einigen können – einen kleinen Kompromiss wären Sie doch bereit einzugehen?

Weisen Sie den Manipulationsversuch klar in seine Schranken, indem Sie ruhig auf Ihren Forderungen bestehen. Bewahren Sie ganz einfach Ihre Nerven und einen langen Atem. Wie bei allen Verhandlungsstrategien gilt: Manipulation erkannt – Gefahr gebannt.

2. Den Versuchsballon zum Platzen bringen

Um die wahren Absichten der Gegenseite herauszufinden, setzen viele Verhandlungspartner listreiche Taktiken ein. Eine davon ist der Versuchsballon. Typisch für ihn sind „Was-wäre-wenn“-Fragen: „Stellen Sie sich doch einmal vor, wir würden folgendes Ergebnis erzielen, wäre das in Ihrem Sinn?“

Ein Einkäufer, der so fragt, versucht Ihnen auf die Schliche zu kommen – er will Ihre Positionen und Absichten aufdecken, ohne seine eigenen zu offenbaren. Spielen Sie den Ball einfach locker zurück: „Nett dass Sie fragen, stellen Sie sich doch mal vor, wir von unserer Seite würden so vorgehen – wie wäre das für Sie?“ So zeigen Sie Ihrem Gegenüber, dass Sie sein verdecktes Spiel durchschaut haben.

3. Firmenrichtlinien: Vorgetäuschte rote Linien

Der Einkäufer ist ein netter Typ, die Verhandlung läuft wunderbar. Zum Schluss sagt er: „Prima, von mir aus können wir das alles so machen. Es gibt nur ein kleines Problem – unsere Firmenrichtlinien verbieten mir, dieses und jenes zu tun. Wir haben hier im Einkauf Richtlinien, da bin ich leider machtlos, wie schade.“

Mag sein, dass es Einkaufsrichtlinien gibt. Selten sind Firmenrichtlinien unverrückbar. „Richtlinie“ bedeutet ja nur „grundsätzliche Linie“ – man kann sie flexibel der Situation anpassen, man kann sie auch erneuern. Wiederholen Sie daher Ihre Forderungen, bestehen Sie auf Ihren Zielen und bleiben Sie – wie in jeder Konfliktsituation – gelassen.

4. „Da brauche ich die Erlaubnis vom Chef“

Beliebte Verhandlungsstrategien werden in unterschiedlichen Varianten ausgespielt. Eine weitere Möglichkeit ist, dass der Einkäufer seinen Vorgesetzten ins Feld führt: „Super, können wir von mir aus gerne so machen, ich muss nur noch kurz die Erlaubnis von meinem Chef einholen.“

Bisweilen kann man diese Strategie auch im B2C-Geschäft beobachten: Wenn Sie beispielsweise im Elektronik-Fachmarkt eine Kamera kaufen, lässt sich am Preis meistens noch etwas machen. Viele Kunden wissen das und verhandeln entsprechend. Um dem Preispoker ein Ende zu setzen, verlassen die Verkäufer häufig kurz den Raum, um angeblich ihren Chef um Erlaubnis zu fragen. Dann kommen sie zurück und sagen: „Das war jetzt knapp, der Preis ist gerade noch möglich, Glück gehabt.“

Bei Verhandlungen mit Einkäufern kann es Ihnen passieren, dass Sie weniger Glück haben und der Chef einen niedrigeren Preis verlangt. Klären Sie daher im Vorfeld die Entscheidungskompetenzen Ihrer Verhandlungspartner ab, indem Sie fragen: „Sind Sie derjenige, der unter das Verhandlungsergebnis seine Unterschrift setzen wird?“ In den meisten Firmen gilt ein Vier-Augen-Prinzip. Fragen Sie daher weiter: „Ist auch derjenige mit am Tisch, der den Vertrag gegenzeichnen wird, damit wir hier wirklich zu einem Ergebnis kommen?“

5. Faule Kompromisse: Wer den kleinen Finger gibt, wird bald den ganzen Arm verlieren

Viele Verhandlungsstrategien verfolgen das Ziel, Sie zu vorschnellen Zugeständnissen zu bewegen. So ist es auch bei der Technik des Kompromisses, die gerne bei Preisverhandlungen eingesetzt wird. Das Wörtchen Kompromiss klingt nach Fairness, nach Entgegenkommen. In Wahrheit geht Ihr Gegner mit einer bewusst niedrig angesetzten Zahl ins Rennen und will sie dazu bringen, von Ihrem Verhandlungsziel abzurücken.

Akzeptieren Sie daher niemals einen Kompromiss, ohne dafür eine Gegenleistung zu erhalten! Gewähren Sie Rabatte beispielsweise nur, wenn der Kunde eine größere Menge kauft, die Frachtkosten übernimmt oder ähnliche Zugeständnisse macht. Andernfalls wird der Einkäufer von Ihnen immer mehr verlangen.

Verhandlungsstrategien: Training macht den Meister

Mögliche Angriffstaktiken der Gegenseite vorwegzunehmen ist gut. Noch besser ist es, wenn Sie Ihre Reaktion darauf auch praktisch durchgespielt haben. Souverän zu verhandeln ist eine Fertigkeit, die Sie trainieren können und sollten. Ich rate Ihnen daher, wichtige Verhandlungen im Vorfeld mithilfe Ihrer Kollegen zu simulieren. So sind Sie für den Ernstfall bestens vorbereitet und gehen mit einem sicheren Gefühl in die Verhandlung.

Verhandlungstricks mithilfe nonverbaler Signale entlarven

Ein letzter Tipp: Es kann mitunter schwierig sein, den Verhandlungsstrategien Ihres Gegners auf die Schliche zu kommen, wenn Sie sich zu sehr von den Einzelheiten des Gesprächs einnehmen lassen. Ich rate Ihnen daher, ganz besonders auf nonverbale Signale zu achten. Gestik, Mimik und Körperhaltung geben Ihnen wertvolle Hinweise über die wahren Absichten Ihres Gesprächspartners. Wenn Sie gelernt haben, diese versteckten Signale zu lesen, dann haben Sie selbst bei harten Verhandlungen ein Ass im Ärmel.

Sie sehen also: Weder Einkäufer noch Verkäufer wenden geheime Kniffe an, sondern Sie beide nutzen ganz ähnliche Verhandlungsstrategien, um Ihre jeweiligen Ziele zu erreichen. Seien Sie daher auf mögliche Angriffe Ihres Gegners vorbereitet und überlegen Sie sich geeignete Strategien, um Querschüsse abzuwehren und Bälle locker zurückzuspielen. So können Sie ruhig und entspannt in Verhandlungen gehen – und sie mit guten Ergebnissen wieder verlassen.

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