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Sind Sie Sonnenanbeter? Verständlich: Solange die Sonne scheint, ist die Arbeit mit unseren Kunden unkompliziert, genussvoll und persönlich bereichernd. Bei Sonnenschein bin ich als Coach für meine Trainees – ebenso wie für Sie als Leser – im Grunde überflüssig.
Anders ist es, wenn ein Gewitter aufzieht: Wenn eine Reklamation nach der anderen auf Ihrem Bildschirm aufblitzt oder ein aggressiver Kunde Ihnen – Donnerschlägen gleich – böse Worte an den Kopf wirft.
Wie reagieren Sie, wenn ein Kunde Sie kritisiert, ungerechtfertigt tadelt oder gar anschreit? Wie reagieren Sie, wenn man Sie unfair und unangemessen behandelt: Sie etwa im Gespräch ständig unterbricht oder Ihre Hilfsbereitschaft ausnutzt? Rechtfertigen Sie sich, ziehen Sie sich zurück, gehen Sie zum Gegenangriff über? Und wie fühlen Sie sich dabei?

Selbstverständlich ist es angenehmer, wenn uns solche Situationen im Vertrieb erspart bleiben. Nun: Da kein Verkäufer, kein Vertrieb, kein Unternehmen perfekt ist, kommt es vor, dass Kunden mit unseren Produkten oder Leistungen unzufrieden sind. Je nach persönlichem Konfliktstil wird uns der Kunde ganz sachlich darauf hinweisen oder vielleicht auch richtig sauer werden: uns anbrüllen und persönlich untergriffig werden. Alle diese Reaktionen sind menschlich – und sie können uns im Vertrieb gehörig in Stress versetzen. Kennen Sie geeignete Umgangsstrategien, dann verlieren solche Situationen an Schrecken. Bewältigte Konflikte bieten uns sogar die Chance, die Kundenbeziehung entscheidend zu verbessern. Stellen Sie sich daher dem Gewitter!

Aggressiven Kunden bestimmt entgegentreten

Es beginnt mit einem Sachkonflikt: Ein Produkt oder eine Leistung ist anders, als der Kunde es erwartet, eine Lieferung verzögert sich, vielleicht wurden auch Informationen aus dem Vertrieb zu spät weitergegeben. Unser Kunde ist dadurch in Schwierigkeiten, möglicherweise hat er sogar richtigen Ärger. Hat er gelernt, mit Konflikten sachlich umzugehen, dann wird er seine Reklamation vielleicht in der Weise ausdrücken: „Herr Verkäufer, wir haben ein Problem, lösen Sie es bitte. Ansonsten löse ich unsere Geschäftsbeziehung.“

Einige Kunden neigen nun dazu, von dem ursprünglichen Sachkonflikt zu einem persönlichen Konflikt überzugehen: „Soll das ein Witz sein? Wissen Sie, wie lang ich schon auf meine Ware warte?“ Oder auch: „Sie sind ja total unfähig!“ Derartige persönliche Angriffe von Kunden treiben unseren Blutdruck im Vertrieb in die Höhe. Häufig reagieren wir, indem wir uns verteidigen: „Ich habe mein Bestes getan, schuld ist dieses und jenes …“ Manche von uns gehen auch zum Gegenangriff über: „Suchen Sie sich doch sonst jemand, um Ihre Aggressionen loszuwerden!“

Wer sich verteidigt, verhält sich unterwürfig: Er vermeidet es, sein Recht einzufordern und drückt eigene Positionen und Meinungen übertrieben vorsichtig aus. Der Angreifer wiederum verhält sich aggressiv, er behauptet seine Rechte in einer Weise, dass er die Rechte von anderen verletzt. Es gibt einen Mittelweg: Seien Sie bestimmt! Auf eine Reklamation oder einen schwierigen Kunden bestimmt zu reagieren bedeutet, dass Sie den Standpunkt des Kunden zu verstehen versuchen und gleichzeitig offen und standhaft Ihre eigene Position vertreten. Auf diese Weise begegnen Sie dem aggressiven Kunden selbstbewusst.

Die Balance zwischen Unterwürfigkeit und Aggression bei Reklamationen finden

Der Umgang mit schwierigen Kunden im Vertrieb ist im Prinzip ganz einfach: Vermeiden Sie es, ebenso wie Ihr Kunde aus einer irrationalen Position heraus auf seine Reklamation zu reagieren. Bleiben Sie konsequent auf der Erwachsenen-Ebene, das heißt in einem Modus, in dem Sie sich sachlich, fair und lösungsorientiert verhalten. Denn nur auf dieser Ebene können typische Konflikte im Vertrieb konstruktiv gelöst werden! Atmen Sie bewusst tief und regelmäßig durch, denken Sie: „Diese Person ist aggressiv. Ich werde ihr selbstbewusst entgegentreten.“ Stellen Sie sich dann dem Problem, indem Sie sich bemühen, die nötigen Informationen zu bekommen und anschließend eine Lösung zu entwickeln.

Wichtig ist dabei, sich Folgendes zu vergegenwärtigen: Was ist das Ziel des Kunden, der Sie im Zuge seiner Reklamation persönlich angreift? In erster Linie will er, dass Sie wahrnehmen, dass er gerade stinksauer auf Sie, Ihren Vertrieb oder Ihre Firma ist. Geben Sie ihm daher die Chance, seine Emotionen loszuwerden, indem Sie ihm zuhören. Stellen Sie gezielte Fragen, um herauszufinden, was ihn so wütend gemacht hat, und lassen Sie ihn ausreden. Zeigen Sie Verständnis und entschuldigen Sie sich: „Herr Müller, ich kann gut verstehen, dass Sie sauer sind. Es tut mir leid, was da passiert ist.“ Wichtig ist, dass Sie ihm in einem zweiten Schritt sofort eine Lösung in Aussicht stellen: „Lassen Sie uns gemeinsam eine Lösung finden, lassen Sie uns das Problem gemeinsam bewältigen.“

Die Vertrauensbasis wieder aufbauen

Selbstverständlich wird es Ihnen im Vertrieb oft unmöglich sein, das Problem sofort zu lösen. Sie müssen vielleicht erst mit einem anderen Mitarbeiter oder einer anderen Abteilung Rücksprache halten, um herauszufinden, wie Sie dem Kunden tatsächlich helfen können. Der Kunde andererseits steht unter Strom und will von Ihnen eine unmittelbare Lösung. Versichern Sie ihm daher, dass Sie sich um die Reklamation kümmern und ihn innerhalb einer kurzen Zeitspanne –  beispielsweise in 10 Minuten – zurückrufen. Daran müssen Sie sich selbstverständlich auch halten! Sie werden in diesen 10 Minuten wahrscheinlich noch zu keiner endgültigen Lösung gelangen. Sie können dem Kunden dann vielleicht nur sagen: „Herr Müller, ich habe Ihnen versprochen, Sie anzurufen, hier bin ich. Ich habe versucht, Kontakt zu dem zuständigen Mitarbeiter herzustellen, er ist gerade in einem Meeting. Ich kann ihn erst in einer Stunde sprechen, danach rufe ich Sie unmittelbar zurück.“

Was Sie damit erreicht haben: Sie haben dem Kunden vermittelt, dass Sie ihn und seine Reklamation ernst nehmen. Der Kunde weiß, dass da jemand ist, der sich zuverlässig um das Problem kümmert.
Im Kern geht es darum, dass Sie Vertrauen herstellen. Denn der Fehler hat das Vertrauen Ihres Kunden erschüttert. Sie müssen daher alles daran setzen, es wieder zurückzugewinnen.

Persönliche Angriffe bestimmt zurückweisen

Es kann natürlich sein – tatsächlich passiert das zum Glück selten – dass der Kunde weiterhin aggressiv bleibt. In meinen Seminaren werde ich häufig gefragt: „Herr Albers, muss ich mich von einem Kunden anschreien lassen?“ – Meine Antwort: Sie dürfen klare Grenzen ziehen, wenn Sie wiederholt persönlich angegriffen werden.
Erklären Sie dem Kunden höflich und bestimmt, dass seine Aggressivität unangemessen ist und dass Sie ihm nur auf einer sachlichen Ebene helfen können und wollen. „Herr Müller, wissen Sie, ich möchte mit Ihnen gemeinsam eine Lösung erarbeiten. Das kann ich nur auf einer sachlicher Ebene tun und bitte Sie daher, den sachlichen Ton auch beizubehalten, so dass wir zusammen zu einer Lösung kommen.“ Schreit Sie der Kunde weiterhin an, dann sagen Sie ihm: „Herr Müller, ich werde jetzt auflegen und Sie können mich gerne zurückrufen, wenn Sie sich beruhigt haben und bereit sind, auf einer sachlichen Ebene mit mir zu sprechen.“ – Und dann legen Sie auf.

Reklamationen und Konflikte als Chance, die Vertriebsbeziehung zu stärken

Die meisten Kunden merken zum Glück selbst, dass sie sich bei einer Reklamation im Tonfall vergriffen haben, und viele werden sich sogar bei uns entschuldigen: „Tut mir leid, ich war da ein bisschen emotional.“ Das ist eine gute Chance, die Kundenbindung zu stärken! Und zwar auf einer sehr menschlichen Ebene. Denn der Kunde weiß, dass er einen Fehler gemacht hat, und er weiß auch, dass Sie ihn und seine Reklamation ernst genommen haben. Konnten Sie sogar eine geeignete Lösung für sein Problem finden, dann wird ihm die Episode äußerst positiv in Erinnerung bleiben.

Falls Sie mehr Tipps für den Umgang mit Reklamationen benötigen – welche Fragen Sie stellen sollten und welche Grundregeln Sie am Telefon beachten sollten – dann habe ich hier für Sie einen detaillierten Reklamations-Leitfaden zusammengestellt. Sie finden darin auch Übungen und konkrete Beispiele, die Ihnen bei derartigen Konfliktsituationen im Vertrieb nützlich sind.

GRUNDREGELN FÜR REKLAMATIONEN ANFORDERN